www.wisthaler.com - Harald Wisthaler

Sexten, 21. Juli 2020 – Im September 2019 versetzte der Schweizer Extremkletterer Dani Arnold die internationale Bergsteigerszene erneut ins Staunen. Der 36-jährige Eidgenosse bewältigte die Comici-Dimai-Route an der Großen Zinne in sagenhaften 46.30 Minuten und stellte damit einen neuen Free-Solo-Speedrekord auf. Zehn Monate später kehrte Arnold nach Sexten ins Dolomiten UNESCO Welterbe zurück, wo er im Rahmen der Vertical Arena über diese Fabelleistung und über seine große Passion – das Klettern auf Felsen und im Eis – vor einem äußerst interessierten Publikum referierte. Dani Arnold nahm sich in Südtirol auch Zeit für ein ausführliches Interview… 

Frage: Dani Arnold, gute zehn Monate sind seit ihrem erfolgreichen Rekordversuch an der Großen Zinne vergangen. Nun sind Sie erstmals wieder nach Südtirol zurückgekehrt. Was geht Ihnen durch den Kopf?
Dani Arnold: Für mich ist es wirklich so wie ein Nach-Hause-Kommen. Von mir daheim sind es gut sechs Stunden zum Fahren bis hierher und es braucht jedes Mal schon ein wenig Überwindung. Aber dann ist es immer das Gleiche: Wenn ich über den Brenner komme und die Dolomiten sehe, dann ist das einzigartig. Ich bin extrem gerne hier, also es ist schon schön.

Wie beurteilen Sie Ihren Fabel-Rekord an der Großen Zinne jetzt, mit ein wenig Abstand?
Der Eiger-Rekord, der ist einfach so entstanden. Klar wollte ich schnell auf den Gipfel, aber am Schluss war auch Glück dabei. Hier war es hingegen ähnlich wie an der Grandes Jorasses – alles hat perfekt geklappt. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass in 46.30 Minuten an der Großen Zinne hochzuklettern echt schnell ist. Und es macht mich schon auch ein Stück weit stolz. Ich hatte wirklich nie das Gefühl, dass ich irgendwo eine Sekunde zu lange gezögert hätte. Es hat einfach alles perfekt zusammengepasst.

Wie entstand die Idee zu diesem Unterfangen, also den Free-Solo-Speedrekord an der Großen Zinne knacken zu wollen?
Die Große Zinne gehört zu den sechs großen Nordwänden in den Alpen. Das ist sicher ein Grund. Und am Schluss ist es so, dass ich vor einigen Jahren an der Torre Trieste war. Dort habe ich gedacht, dass die Große Zinne nichts für mich ist. Das kann ich vielleicht nicht. Und mit der Torre Trieste habe ich eigentlich realisiert, dass die Große Zinne trotzdem ein Ziel von mir sein könnte. Und dann hat es sich so ergeben.

Wie wählen Sie die Berge zu Ihren Rekorden aus?
Für mich ist wichtig, dass ich motiviert bin für das Ziel. Es ist nicht immer nur der Name oder so was. Ich muss die Linie cool finden. Ich finde Orte spannend, an denen Geschichte geschrieben wurde. Auch zum Erzählen. Irgendwie ist es auch so, dass ich mich in der Bergsteigerfamilie beweisen muss. Und deshalb finde ich, dass ich es dort machen sollte, wo die Besten unserer Zunft gewesen sind. Das ist schon wichtig.

Was macht für Sie die Faszination am Free-Solo-Speedklettern aus?
Wenn es kein Seil gibt, ich an keinem Klettergurt hänge, dann geht das alles so leicht von der Hand. Zwei Meter hier, zwei Meter da – ich muss nicht schauen, wegen einem Seilzug oder sonst irgendetwas. Da bin ich grundsätzlich schon mal schnell. Ich fühle mich frei. Und das ist schon ein extrem intensives, schönes Gefühl.

Klettern in seiner reinsten Form…
Ich finde schon. Teilweise geht es auch ums Reduzieren. Unsere Gesellschaft ist ja gewohnt – und das ist ja auch gut – Sicherheit aufzubauen. In allen Bereichen. Man nimmt verschiedene Dinge her und sichert sich für irgendwelche Situationen ab. Aktiv zu sagen, ich nehme das und das nicht mit, ja nicht einmal ein Seil, das ist dann ein Zurück zum Wesentlichen. Und da geht es dann wirklich nur darum: Schaffe ich die Route nur mit meinem Können, oder schaffe ich sie nicht? Und das ist schon ein wichtiger Punkt.

Sie sind im Beruf Bergführer. Da steht das Free-Solo-Speedklettern ja komplett im Gegensatz dazu…
Die Leute glauben mir nicht, dass ich langsam laufen auch kann (lacht). Mir macht es sehr viel Spaß, diesen Kontrast zu haben. Klar, wenn ich als Bergführer arbeite, dann spielt die Zeit keine Rolle. Für mich ist es dann wichtig, dass ich gut führe, dass ich mich in die Situation der Gäste gut hineinfühlen kann und eine gute Arbeit mache. Das ist manchmal noch schwieriger, als wenn ich nur auf mich schauen muss.

Haben Sie keine Angst?
Beim Free-Solo-Klettern habe ich keine Angst. Aber während der ganzen Vorbereitung ist Angst ein großes Thema. Ich baue mir dann sehr viel Selbstvertrauen auf, damit ich weiß, dass alles noch stimmt. Wenn ich am Berg bin und das tue, was ich gut kann, dann geht es plötzlich. Aber wenn ich zu Hause bin oder im Bett liege und nachdenke, was alles passieren könnte und was schon alles passiert ist, klar, dann macht es mir Angst. Ich muss mich einfach konkret mit der Situation auseinandersetzen.

Wie lange und intensiv bereiten Sie sich auf einen Versuch vor?
Ich brauche ungefähr einen Monat, um mich körperlich auf einen Versuch vorzubereiten. Die Vorbereitung mit Planung und mentaler Vorbereitung, die dauert aber ungefähr ein Jahr. Es ist eine lange Zeit.

Wie haben Sie das Free-Solo-Speedklettern für sich entdeckt?
Eigentlich durch Zufall. Ich bin einfach mal zu Hause losgestartet und habe zu Beginn auf Eis meinen ersten Rekord aufgestellt. Eis ist nach wie vor mein Ding, im Felsklettern bin ich nicht so stark. Wenn ich ohne Seil klettere, dann bin ich per se sehr schnell. Da muss ich nicht mehr viel dazutun.

Welcher Rekord macht Sie am meisten stolz?
Grandes Jorasses ist glaube ich schon ziemlich cool. Die erste Wiederholung von Anubis – das ist eine Mixed-Route in Schottland, im 12. Schwierigkeitsgrad, mental extrem anspruchsvoll, nur lächerliche 40 Meter hoch – bedeutet mir persönlich fast immer noch am meisten. Weil es bergsteigerisch so extrem schwierig ist.

Was schwebt Ihnen als nächstes vor?
Etwas Konkretes gibt es noch nicht. Es ist kein Geheimnis, dass mich die sechs großen Nordwände interessieren. Mir fehlt noch die kleine Dru. Ob ich das noch mache, oder nicht, ist schwierig zu sagen. An dieser Wand gibt es extremen Steinschlag. Ob ich ein Fenster finde, in dem es für mich passt, ist extrem schwierig zu sagen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Harald Wisthaler

Comments


Add Comment